In einem ersten Teil führte Martin Frehner, Mitglied der Sarganser Biodiversitätskommission durch die Gemeinde und machte uns mit verschiedenen Projekten bekannt. Zum Beispiel die Umgestaltung des Pausenplatzes im Schulhaus Böglifeld, die von den Lehrpersonen geplant und von den Schülern zusammen mit professionellen Gartenbauern umgesetzt wurde. Als Resultat haben die Kinder nun einen abenteuerlichen Pausenplatz und die Natur Raum, sich zu entfalten, viel wichtiger aber ist, dass die Schulkinder das Konzept Biodiversität hautnah miterlebt haben und von der Schule nach Hause tragen. Oder zum Beispiel der Schlosshügel, wo im steilen Gelände Ziegen zur Neophytenbekämpfung eingesetzt werden. Oder die Grossüberbauung einer Pensionskasse, die von der Gemeinde zum Ersatz einer Kirschlorbeerhecke durch eine einheimische, artenreiche Hecke motiviert werden konnte. Oder den Sarganser Sträuchertausch: Die Einwohner können bei der Gemeinde kostenlos einheimische Sträucher bestellen, wenn sie zum Tausch gerodete Neophyten (nicht einheimischer Sträucher) mitbringen. Oder die Aufwertungsmassnahmen beim Schulhaus Sandgrueb, wo nichts weiter nötig war, als den Rasen der steilen Borde eben nicht mehr regelmässig kurz zu halten, sondern in eine artenreiche Wiese zu überführen, die nur noch zwei mal jährlich gemäht wird.
Nach dem Mittagessen erfuhren wir dann von Gemeindepräsident Jörg Tanner (GLP) mehr über den politischen Werdegang des Sarganser Biodiversitätsprojektes: 2018 entschloss sich der Gemeinderat, der Biodiversität auf Gemeindegebiet mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Als Ziel nahm man sich nicht weniger vor, als zur biodiversesten Gemeinde der Schweiz zu werden. Der erste Schritt führt zum Kanton St. Gallen, mit der Anfrage, ob eine Biodiversitätsstrategie existiere. Das war leider nicht der Fall, aber den Kanton stimmte einem Sarganser Pilotprojekt zu. Nun wurde eine spezialisierte Firma mit einer Bestandsaufnahme und der Erarbeitung eines Konzeptes beauftragt: Jede einzelne Parzelle im Besitz der Gemeinde - sei es ein Altersheim oder auch nur eine wenige Quadratmeter grosse Verkehrsinsel - wurde besichtigt, der aktuelle Zustand der Biodiversität erfasst und pragmatische Aufwertungsmassnahmen inklusive Kostenschätzung definiert. Die einzelnen Projekte wurden alsdann priorisiert und auf verschiedene Budgetperioden verteilt. Stand heute ist ein ansehnlicher Teil davon umgesetzt, die anderen Projekte sollen in den kommenden Jahren umgesetzt werden.
Alles einfach also? Nein. Jörg Tanner macht klar, dass das Sarganser Biodiversitätsprojekt einen Kulturwandel darstellt, der seine Zeit braucht. Gemeindearbeiter müssen geschult werden, was in Sargans offenbar gut geklappt hat: Bei unserem Rundgang erfreute sich Martin Frehner an einigen Bernnesseln, die der umsichtige Gemeindearbeiter beim Mähen einer Wiese stehen lassen hat, weil er die Raupen des kleinen Fuchses darin rechtzeitig gesehen hat. Klar sei, dass die ökologische Bewirtschaftung kostengünstiger sei. Bis sich dieser Spareffekt bemerkbar mache, müsse aber der Kulturwandel beim Unterhalt abgeschlossen sein. Auch die Bevölkerung brauche ihre Zeit, um sich an das veränderte Bild zu gewöhnen: Der Nutzen der Biodiversität müsse gelegentlich erklärt werden, wenn einige Bürgern sich am „ungepflegten Charakter“ stören. Erstaunlicherweise hätte er aber nie Mühe gehabt, vom Stimmbürger die für das Projekt notwendigen Budgets zu bekommen. Das sei aber sicher dem pragmatischen Ansatz und dem gemässigten Tempo zu verdanken.
Was hat uns besonders beeindruckt? Einerseits der Einbezug der Schulen und der Bevölkerung: Kindergärtner haben ihren eigenen Kindergarten bepflanzt, Oberstufenschüler pflanzen beim Eintritt in die Oberstufe einen Strauch und sind die nächsten drei Jahre für ihn verantwortlich, Private ersetzen freiwillig ihre Neophyten durch heimische Sträucher. Andererseits den Mut, etwas für die Natur zu verlangen: So wurde ein grosser Investor im Rahmen eines Gestaltungsplanes verpflichtet, einen eingedohlten Bach wieder offenzulegen. Letztendlich aber vor allem der Pragmatismus, wie es in Sargans gelingt, mit wenig Geld viel Biodiversität zu schaffen: Sollten alle Projekte gemäss Konzept umgesetzt werden, kostet das weniger als 230’000Fr - Die Neugestaltung des Friedhofes in Seuzach als Vergleich hat mehr als 330’000 Fr gekostet.